Ein Machtkampf ist diesem Lächeln für die Kamera vorausgegangen. Gegen den Willen der sechs Hettinger Gemeinderäte setzen die sieben Räte aus Inneringen Gerhard Sprißler (rechts) als ersten Stellvertreter durch. Wilfried Liener hat dieses Amt 15 Jahre lang innegehabt und ist jetzt der zweite Stellvertreter. In der Mitte ist Bürgermeisterin Dagmar Kuster zu sehen. Foto: Vera Romeu
Es gibt einem Wechsel an der kommunalpolitischen Spitze der Stadt Hettingen: Nach 15 Jahren ist nicht mehr Wilfried Liener aus Hettingen erster Bürgermeister-Stellvertreter. Der Gemeinderat hat mehrheitlich den Inneringer Gerhard Sprißler in dieses Amt gewählt.
Quelle: www.schwäbische.de
In der konstituierenden Sitzung des
Gemeinderats verpflichtete Bürgermeisterin Dagmar Kuster zunächst die neuen und
die wiedergewählten Gemeinderäte. Danach wurden gleich die zwei Stellvertreter
der Bürgermeisterin gewählt. Kuster kündigte an, sich bei dieser Wahl zu
enthalten. Sie bat um Vorschläge für das Amt des ersten Stellvertreters. Die
Räte Sabine Rösch und Jürgen Ott von der Inneringer Seite schlugen Gerhard
Sprißler aus Inneringen vor. Johann-Walter Wolf schlug den bisherigen ersten
Stellvertreter aus Hettingen, Wilfried Liener, vor und hielt eine Rede, um dies
zu begründen. Liener sei zum achten Mal in den Gemeinderat gewählt worden, habe
viel Erfahrung und Sachkompetenz. 15 Jahre lang habe er das Amt des ersten
Stellvertreters ausgefüllt, gerade in der schwierigen Phase nach dem Ableben
von Bürgermeister Bühler habe er die Gemeinde ein dreiviertel Jahr lang mit
viel Engagement geleitet und er habe außerdem von den Wählern aus beiden
Stadtteilen die meisten Stimmen bekommen.
Die Wahl wurde geheim durchgeführt. Es
gab keine Überraschung: Die sieben Inneringer Räte wählten Gerhard Sprißler,
die sechs Hettinger Räte gaben ihre Stimme Wilfried Liener, der somit unterlag.
Bürgermeisterin Kuster gratulierte Sprißler zur Wahl und drohte lachend, ihm
viel Arbeit zu geben.
Am Ende der Sitzung ging der neu
gewählte erste Stellvertreter Sprißler auf die neue Situation ein. Er sagte,
dass nicht die Arbeit und das Engagement des bisherigen ersten Stellvertreters
infrage gestellt werden. Auch sei unbestritten, dass er am meisten Stimmen
bekommen habe. Es sei jedoch das Votum der Wähler gewesen, einen Rat mehr aus
Inneringen in das Gremium zu entsenden, auch hätten die Inneringer Räte
insgesamt mehr Stimmen auf sich vereinigen können und der Stadtteil habe auch mehr
Einwohner. Deshalb sei es legitim, dass Inneringen den ersten Stellvertreter
stelle.
Wolf kontert
Da konterte Rat Wolf, dies sei zwar eine
plausible Erklärung, um das Amt des ersten Stellvertreters zu besetzen, er
möchte jedoch anmerken, dass 1994 Hettingen mehr Einwohner hatte als Inneringen,
dass die Räte aus Hettingen damals insgesamt mehr Stimmen gehabt haben, dass
trotzdem der erste Stellvertreter aus Inneringen kam.
Im Bauausschuss des Hettinger Gemeinderats sind Johann-Walter Wolf, Gertrud Lieb, Jürgen Ott und Brigitte Gluitz mit jeweils Wilfried Liener, Rainer Kley, Gertrud Schüle und Holger Bohner als Stellvertreter.
Im Ausschuss des Interkommunalen Gewerbegebiets Berg sind: Johann-Walter Wolf, JürgenOtt, Gerhard Sprißler und SabineRösch, Stellvertreter sind RainerKley, Wilhelm Gerbracht, Holger Bohner und Gertrud Schüle.Nach der Gemeindereform im Jahr 1975 wurde der Inneringer Gordo Maier zum ersten Bürgermeister-Stellvertreter gewählt. Ausschlaggebend für die damalige Entscheidung waren weder erzielte Stimmenzahlen noch die Einwohnerzahl der Stadtteile, vielmehr waren es rein pragmatische Gründe: Nachdem der Sitz der Gemeindeverwaltung nach Hettingen gegeben wurde und absehbar war, dass der damals neu gewählte Bürgermeister Johannes Müller seinen Wohnsitz in Hettingen begründen wird, war es im Interesse eines gewissen Augleichs schlicht naheliegend, einen Inneringer als "Vize" zu wählen.
1999 wurde Stefan Bubeck zum Schultes
gewählt, er zog nach Inneringen, und nach der im selben Jahr erfolgten
Kommunalwahl und dem Ausscheiden von Gordo Maier aus dem Gremium wurde
Wilfried Liener und damit ein Vertreter des Stadtteils Hettingen zum
ersten Stellvertreter gewählt.
Bei der letzten Kommunalwahl 2009 war
noch nicht klar, wo der wenige Monate zuvor gewählte Bürgermeister Uwe
Bühler letztlich wohnen würde, insofern war keine "Zuordnung" nach den
Kriterien der früheren Jahren möglich. Trotz der schon damals gegebenen
Inneringer Mehrheit wurde Wilfried Liehner im Amt bestätigt.
Dass in diesem Jahr nun die Inneringer Gemeinderäte ihre Mehrheit im Gremium nutzten, um einen der ihren zum ersten Stellvertreter zu wählen, konnte nicht wirklich überraschen. Auch ein gutes Jahr nach der Entscheidung in der Schulfrage, die letztlich durch das Einlenken der Inneringer Seite zustande kam, sind noch nicht alle Gräben zugeschüttet. Ein "weißer Ritter", der für beide Seiten uneingeschränkt wählbar gewesen wäre, stand nicht zur Wahl, und so war das Ergebnis nach der signalisierten Enthaltung der Bürgermeisterin nur logisch.
Es bleibt zu hoffen, dass dieses
"Scharmützel" eine einmalige Episode in der Ratsgeschichte bleiben
wird. Voraussetzung hierfür ist Verlässlichkeit - in der Arbeit der
beiden Stellvertreter, vor allem aber auch bezüglich der Zusagen aus
dem Schulkompromiss. Nur dann wird es irgendwann nicht mehr ganz so
wichtig sein, aus welchem Stadtteil der erste Vize kommt.