Erinnerungen an das Hagelunwetter von 1853


Der heilige Wendelin als Schutzpatron für das Vieh stehe dort, wo die erschlagenen Gänse vergraben wurden, sagen die Frauen. Foto: Loges

„Meine Oma hat jedes Mal beim Läuten geweint“

Seit dem verheerenden Hagelschlag von 1853 läuten in Inneringen die Glocken am 24. August

Quelle: www.schwäbische.de

Seit 160 Jahren halten die Inneringer ein Versprechen: Am Fest des Apostels Bartholomäus, am 24. August, werden alle Glocken geläutet. Der Hagelschlag vom 24. August 1853 ist heute noch gegenwärtig, fast so, als seien die Einwohner selbst dabei gewesen.

Die Mesmerin schaltet dreimal im Abstand von wenigen Minuten alle Glocken ein. Die versprochenen drei Vaterunser und das Salve Regina betet sie mit. Die Kirche ist leer. Gebetet wird bei der Arbeit, die dafür eine Viertelstunde unterbrochen wird. „So war es immer“, sagen die drei Frauen, die währenddessen in einer Scheune schon erste Arbeiten für den Erntealtar erledigen. Ihre Namen täten „nichts zur Sache“, aber sie kennen die Geschichte des verheerenden Hagelschlags von 1853 genau. 

Jedes Jahr „schwätzt ma dra na“, das heißt, man redet darüber und erinnert sich auf diese Weise: „Mein Urgroßvater war dreizehn und hat sich damals das Schlüsselbein gebrochen.“ Und eine zweite Frau ergänzt: „Alle Gänse sind erschlagen worden und hinten in Richtung Ittenhausen, wo der heilige Wendelin steht, vom Wagen in eine Grube geworfen worden.“ Jedes Haus habe drei oder vier Gänse gehabt. Weil sie nicht mit den Pferden zusammen sein durften, wurden sie gemeinsam gehütet. Der Hagel hatte sie alle getötet. „Das Schlimmste war“, so die Frauen, „dass alle Ziegel auf den Dächern zerstört wurden und nicht so schnell neue produziert werden konnten“. Drei oder vier Tage lang habe es danach geregnet und weiteren Schaden angerichtet. Dreimal seien Hagel und Blitz wieder zurückgekommen, deshalb bete man auch drei Vaterunser: „Früher hat man die Arbeit auf dem Feld unterbrochen, hat sich auf die Garben gesetzt und gebetet.“ Und heute? „Wir haben beim Läuten viel an die alten Leute gedacht, meine Oma hat jedes Mal beim Läuten geweint.“

Lehrergemeinschaft hält Ereignis schriftlich fest 

Was damals an einem Mittwoch passiert ist, hat die Lehrergemeinschaft Gammertingen in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg in dem Büchlein „Um Gamerdenga rum“ festgehalten: „Der Sturm brach los. Blitze auf Blitze zuckten, und ohne Absetzen brauste und brüllte der Donner.“ Alle Häuser wurden abgedeckt, Hasen, Rebhühner und Wachteln lagen „zu Hunderten“ erschlagen, 600 Gänse wurden getötet und auch die Menschen, die bei der Feldarbeit waren, wurden nicht verschont: „Da half kein Hinlegen, kein Verkriechen unter Getreide- oder Öhmdhaufen.“ 

Unverwundet kam niemand nach Hause. Die meisten hatten Löcher in den Köpfen, viele waren in Ohnmacht gefallen: einer Frau schlug es den Arm ab und einem Pferd die Wirbelsäule auseinander, sodass es getötet werden musste.“ Und dann heißt es noch: „Zur immerwährenden Erinnerung an dieses allgewaltige Naturereignis wird seit jener Zeit alljährlich am 24. August eine Bittprozession nach Maria Nöthenwang gehalten.“ Es steht bei der Geschichte ebenfalls, dass eine halbe Stunde lang geläutet wird und fünf Vaterunser gebetet werden. Auch wenn „zur Abwendung eines ähnlichen Hagelschlags“ der Einsatz ein wenig reduziert wurde, ist es erstaunlich, dass das Gebet seit 160 Jahre aufrechterhalten wird.

„Und wenn man sieht, was der Hagelschlag kürzlich in Reutlingen angerichtet hat“, ergänzen die Frauen: „Da können wir richtig froh sein, dass das nicht bei uns passiert ist.“ Sie finden es gut, dass an der Tradition des Hagelläutens festgehalten wird.

Anmerkungen der WWW-Redaktion:

Im vorstehend veröffentlichten Bericht der Schwäbischen Zeitung wird erwähnt, dass die erschlagenen Gänse im Bereich Schelmenwasen bzw. beim Wendelinus-Bildstock Jahnstraße / Ecke Hohenzollernstraße vergraben wurden. Hierzu gibt es abweichende Ansichten, wonach sämtliches verendetes Vieh im Bereich Engeleswies (an der Straße nach Bingen) in dort noch vorhandenen Erzlöchern vergraben wurde.

Wenn in dem historischen Bericht der Lehrergemeinschaft Gammertingen davon die Rede ist, dass einer Frau der Arm abgeschlagen wurde, ist dies so zu verstehen, dass die Frau einen Armbruch erlitt. Auf Schwäbisch war eben der Arm ab, aber schon noch dran.

Erwähnenswert ist vielleicht noch, dass ein Inneringer Bauer noch am selben Abend nach Riedlingen fur, um Dachplatten zu kaufen. Er hatte Glück und konnte sich noch eindecken, alle anderen mussten teilweise wochenlang warten, bis Nachschub ankam. 


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