Bürgerversammlung zum Grundschulstandort

Die asymetrische Entscheidungsfindung

(rt) Zwei Dinge fielen auf bei der jüngst abgehaltenen Bürgerversammlung in der Inneringer Albhalle: Das Interesse der Bevölkerung an dieser Frage hat spürbar nachgelassen, war es bei der Bürgerversammlung 2007 noch ziemlich voll, so blieben dieses mal viele Plätze leer.

Und es war eine ungleiche, ja asymetrische Veranstaltung. Während der aus dem Laucherttal kommende Teil der Besucher die Kunde der Stadtverwaltung mit Wohlwollen vernahm und sich nur unwesentlich an der Diskussion beteiligte, versuchten deutlich mehr Älbler, die Kriterien zur Standortwahl eben nicht nur auf den baulichen Zustand zu beschränken. Als relevant wurden lediglich die Umbaukosten dargestellt, andere Faktoren, die im wesentlichen von Bürgern angesprochen wurden, blieben unkommentiert.

Die Schwäbische Zeitung berichtete wie folgt über die Veranstaltung:

Schul-Zusammenlegung kostet viel Geld


„Wenn jetzt jeder seinen Kampf austrägt, macht uns das kaputt“, sagt diese Frau – und erhält Applaus dafür. Foto: Vera Romeu

Harte und weiche Faktoren sollen in die Standortentscheidung einfließen

Inneringen - „Ich bin ein bisschen nervös, sehen Sie es mir bitte nach, wenn ich mich ein wenig verhasple“, sagte Bürgermeisterin Dagmar Kuster, als sie die Bürgerversammlung zur Frage der Schulstandortauswahl in der Albhalle eröffnete. Viele Bürger waren gekommen, voll besetzt war die Halle aber bei weitem nicht. „Glauben Sie mir, es ist noch alles offen“, betonte Bürgermeisterin Kuster und sicherte zu, dass harte und weiche Faktoren sorgfältig gegeneinander abgewogen werden. 

Die Stadtverwaltung hatte im Vorfeld der Bürgerversammlung durch die Architekten des Gammertinger Büros Supper-Heinemann beide Schulgebäude auf ihre bauliche Eignung prüfen lassen, dazu hatten die Fachleute die Kosten zu berechnen, was in die Gebäude jeweils investiert werden müsse, um sie für die Zusammenführung der vier Klassen zu ertüchtigen. Schulbaurichtlinien, brandschutzrechtliche Vorgaben sowie Standards einer zeitgemäßen Schule, wurden als Grundlage zum Vergleich herangezogen. 

Die Untersuchung der Architekten ergab, dass in Hettingen die Räume und Flächen mit 977 Quadratmetern üppig ausreichen, dass aber ein Treppenturm als Fluchtweg angedockt werden muss und bei den sanitären Anlagen, der Akustik, Beleuchtung, Ausstattung investiert werden muss. In Inneringen ist die Gesamtfläche mit 608 Quadratmetern zu klein, auch ist ein Klassenzimmer zu klein. So schlagen die Architekten vor, das Dachgeschoss auszubauen und brandschutztechnisch zu ertüchtigen, um das notwendige Raumangebot unterzubringen. Dort oben planen sie Schulleiterraum, Lehrerzimmer und Lehrmittelraum. Auch hier braucht es einen Treppenturm. Im Erdgeschoss und im Obergeschoss sind die Fluchtwege zu schmal, der Pausenhof muss überdacht werden. 

Summa summarum würde in Hettingen der Umbau 680 000 Euro und in Inneringen 990 000 Euro kosten. Dies könnte man zwar über Jahre strecken, doch um im nächsten Schuljahr den zusammengeführten Unterricht aufnehmen zu können, müssen in Hettingen 300 000 Euro investiert werden und in Inneringen 760 000 Euro. 

„Das Zahlenwerk ist enorm, wir waren schockiert, als uns die Zahlen vorgelegt wurden“, berichtete Bürgermeisterin Kuster aus der jüngsten nicht-öffentlichen Sitzung, bei der die Architekten die Zahlen geliefert hatten und der Stadtrat sie in einer langen Debatte diskutierte.


Junge Mutter bekommt für Vorschlag Applaus

Bürger präsentieren ihre Argumente und stellen Fragen 

Hettingen (vr) - Bürger hatten der Stadtverwaltung im Vorfeld der Bürgerversammlung per Mail Fragen und Argumente zukommen lassen. Auch wurden in der Bürgerversammlung Fragen gestellt und Statements abgegeben. Ob in Hettingen noch Asbest vorhanden sei, war beispielsweise eine Frage. Architekt Heinemann verneinte dies. Ob die Dächer in Ordnung seien? Dies konnte er bestätigen. Im Inneringer Kindergarten gebe es Räume und Erzieherinnen, dazu eine Ganztagsbetreuung, die den Grundschülern auch zugutekommen könne, denn zukünftig werden Eltern dies fordern. 

In den Mails waren Gründe für den Inneringer Standort aufgelistet, Bürgermeisterin Dagmar Kuster stellte sie unkommentiert vor: Kurze Wege zwischen Schule, Sporthalle und Kindergarten, in Hettingen ist der Weg zur Kirche gefährlich, dort gibt es im Winter Probleme mit dem Schulbus, es kommen mehr Kinder aus Inneringen, die Lernatmosphäre sei in Inneringen angenehmer. 

Aus Inneringen wurde unter dem Aspekt Gleichberechtigung der Teilorte vorgeschlagen: Hettingen als Gewerbe- und Verwaltungsstandort auszubauen, und Inneringen als Bildungsstandort, so entstünde eine Art Gleichberechtigung. „Daran hatte ich bislang nicht gedacht, aber das wäre ein hochinteressantes Argument“, kommentiert Bürgermeisterin Kuster.

Vorschläge für Nachnutzung 

Als Nachnutzungen für die Hettinger Schule wurden vorgeschlagen: die Einrichtung von Schulungsräumen für Firmen, einer Tagesstätte für ältere Bürger, eines Bürgersaals, oder Verlegung in das Schulgebäude des Hettinger Kindergarten, der Akademie Laucherttal. Die Mails seien auch aus Inneringen gekommen, berichtete Bürgermeisterin Kuster. Der Stadtrat werde erst darüber nachdenken, wenn man wisse, welches Gebäude tatsächlich nachgenutzt werden muss, sagte Bürgermeisterin Kuster.

Viel Applaus bekam eine junge Mutter: „Emotionale Argumente sollten jetzt nicht kommen. Wenn jetzt jeder seinen Kampf austrägt, das macht uns kaputt. Warum nutzen wir nicht, was wir haben und ziehen an einem Strang? Es gibt in Hettingen und in Inneringen nette Leute.“ Ein anderer Bürger betonte: „Die Hettinger wollen die Grundschule und die Inneringer wollen sie auch, das ist normal. Kosten und Potenziale müssen gegenübergestellt werden. Das Kostenargument darf aber nicht das Totschlagargument werden, sonst ist es jetzt schon entschieden.“

Bürgermeisterin Kuster sah es auch so: Die Kostenfrage sei wichtig, aber es gebe neben den harten Faktoren auch emotionale Faktoren, die legitim sind und die nicht außen vor bleiben. „Gehen Sie nochmal in sich, reden Sie mit den Stadträten. Uns hilft wenn Sie dann die mehrheitlich gefällte Entscheidung mittragen“, schloss Bürgermeisterin Kuster die Bürgerversammlung.

 

Kommentar

Mittelfristig sind beide Seiten Verlierer

Von Ignaz Stösser

Bisher ist es Bürgermeisterin Dagmar Kuster gelungen, die Emotionen klein zu halten. Sachlich lässt sie die Argumente abwägen, welches der bessere Standort für die gemeinsame Schule wäre – Hettingen oder Inneringen. Die Argumente pro und kontra werden sowohl im Gemeinderat als mit der Bevölkerung diskutiert. Und Kuster lässt nicht zu, dass jetzt schon über den Standort gestritten wird. Aber irgendwann muss eine Entscheidung fallen, und dann wird es in den Augen mancher einen Gewinner und einen Verlierer geben. Das wäre jedoch zu kurz gedacht. Denn schließlich kann man mit dieser Lösung die Schule noch in der Gemeinde halten. Noch! Die Kinderzahlen deuten schon an, dass die Gemeinde Hettingen in vielleicht sechs, sieben Jahren nicht mehr genügend Schüler für eine Schule haben wird. Dann wird es ohnehin egal sein, für welchen Standort man sich jetzt entscheidet. Die Hettinger und Inneringer wären gut beraten, sich über das Kirchturmdenken hinwegzusetzen und die künftige Lösung als Zwischenlösung zu betrachten. Dann fällt ihnen die Entscheidung leichter. Mittelfristig werden wohl leider sowieso beide Seiten zu den Verlierern gehören.


Aus Inneringer Sicht - und diese Sicht sei auf der inoffiziellen Inneringer Homepage erlaubt - fällt eben eine gewisse Asynchronität der Bürgerversammlung auf. Seitens der Stadtverwaltung wurde lediglich der bauliche Zustand der beiden Standorte dargestellt und auch aussagekräftig ausgewertet. Das Architekturbüro Supper-Heinemann hat dabei gute Arbeit abgeliefert, und die angeführten Handlungsfelder waren von einigen Kleinigkeiten abgesehen nachvollziehbar.

Dass ein 40 Jahre altes Gebäude eine andere Bauweise und auch einen anderen Zustand aufweist als ein Gebäude aus den 1930er Jahren konnte nicht wirklich überraschen. Hier zeigte sich bestenfalls, dass die Zusage der Stadtverwaltung aus dem Jahr 2007, beide Schulstandorte auf den gleichen technischen Stand zu bringen, nicht umfassend umgesetzt wurde. Wohl auch, weil manche Baustellen (Brandschutz!) gewollt oder ungewollt nicht geprüft oder zumindest nicht umgesetzt wurden. Die Inneringer Schule wurde bei der Untersuchung aber entgegen der Berichterstattung in der Presse nicht als "zu klein", sondern als "kleiner" bewertet. Die Klassenräume liegen durchaus innerhalb der von den Richlinien vorgegebenen Bandbreiten, welche im übrigen von einer Klassenstärke von 28 Kindern ausgehen - Zahlen, die derzeit nicht (mehr) absehbar sind.

Nicht berücksichtigt wurden "weiche Faktoren", die in der Diskussion sicherlich nicht die Hauptrolle spielen können, es aber durchaus verdient gehabt hätten, zumindest aufgegriffen und von der Stadtverwaltung bewertet zu werden.

So wurde die Frage der Folgenutzung des nicht mehr benötigten Gebäudes vorerst schlicht ignoriert. Dies sollte aber gerade dann, wenn eine Entscheidung auf die monetären Auswirkungen reduziert wird, ebenso ernsthaft geprüft werden wie die kurzfristigen Investitionskosten. Es war nicht überraschend, dass aus Inneringen nur Vorschläge für eine Folgenutzung der Grundschule Hettingen kamen, diese hätten aber sicherlich ernsthaft diskutiert werden können. Die Verlegung des Kindergartens und der Akademie Laucherttal in das Schulgebäude hätte eben durchaus zu Kosteneinsparungen führen können. Die Stadt könnte die beiden bisher hierfür genutzten Gebäude verkaufen können und müsste diese auf lange Sicht eben nicht mehr unterhalten. Der Kostenvorteil für die Lösung Hettingen hätte sich dann bei entsprechenden Veräußerungserlösen und gesparten Unterhaltskosten sehr schnell umkehren können - wenn man diese Rechnung denn aufgemacht hätte. Für den Kindergarten hätte diese Lösung den Vorteil, dass die Laucherttalhalle für Sportstunden hätte genutzt werden können. Und dass auf der Halbhöhenlage ein sonnigerer und großzügigerer Außenspielbereich möglich gewesen wäre als am seitherigen Standort, verlangt auch nicht sehr viel Phantasie.

Dass bei einer Entscheidung für den Standort Hettingen auf lange Sicht an drei Standorten Ganztagsbetreuung für Schul- und Kindergartenkinder angeboten werden müsste - am Kindergarten Inneringen, an der Grundschule in Hettingen und am Kindergarten Hettingen - stellte die Bürgermeisterin sogar explizit in Abrede. Im Kindergarten Hettingen "werde es keine Ganztagsbetreuung geben" beschied sie eine entsprechende Anfrage, die Stadt könne sich nicht an beiden Standorten alles leisten. Hettinger Eltern, die ein entsprechendes Angebot benötigen, müssten ihr Kind dann eben nach Inneringen in den Kindergarten bringen.

Diese Sicht der Dinge kann sicherlich eine Momentaufnahme darstellen, schon in wenigen Jahren dürfte sich diese im übrigen dem Vernehmen nach nicht durch einen expliziten Gemeinderatsbeschluss gestützte Aussage aber in Wohlgefallen auflösen. Es ist absehbar und für die Hettinger Eltern auch dringend notwendig, dass auch im Hettinger Kindergarten eine Ganztagsbetreuung angeboten wird. Die Frage ist nur, ob dies erst dann der Fall sein wird, wenn eine entsprechende gesetzliche Regelung kommt oder (wahrscheinlicher) schon sehr viel früher. Und dann müssen die entsprechenden sächlichen und personellen Aufwendungen eben an drei Standorten getätigt werden oder eine räumliche Zusammenfassung durch einen Neubau erfolgen - auch dies bleibt bei der Kostendiskussion völlig außer Betracht.

Fällt die Entscheidung für den Standort Hettingen, muss der Musikverein sein Probendomizil in der Schule räumen. Dem Vernehmen nach muss die Stadt dem Verein dann zumindest anteilig die Kosten erstatten, die er in die Räumlichkeiten investiert hat. Und der nächste Schritt ist dann absehbar: Der Musikverein Inneringen probt in einem städtischen Gebäude, mit welchem Recht kann die Stadt dann dem Hettinger Musikverein eine gleichwertige Unterbringung verwehren? Ob der Verein dann in den park- und winterunfreundlichen Haberkasten umzieht oder die Stadt anderweitig um Räumlichkeiten schaut - zum Nulltarif wird das alles nicht zu haben sein.

Summiert man diese "Nebenkosten" auf, dürfte sich die Differenz der Baukosten schon deutlich reduzieren. Und dann könnte eben auch die in der Bürgerversammlung angesprochene Möglichkeit berücksichtigt werden, die am Standort Inneringen fehlenden Räumlichkeiten (Forscherraum, Technikraum) im benachbarten Kindergarten (dort stehen seit Jahren drei Gruppenräume den verbliebenen zwei Gruppen zur Verfügung, ebenso gibt es ein ungenutztes Dachgeschoss) oder in der ohnehin zur Sanierung anstehenden Albhalle unterzubringen. Wenn die Kinder bisher vier mal pro Woche zum Sportunterricht in die Albhalle laufen konnteN, kann es doch sicher nicht daran scheitern, diesen Weg ein mal mehr zum Forscherraum zu gehen.

Man traut sich ja fast nicht, einen weiteren "weichen" Faktor anzusprechen: Das Fortbestehen des Schulfördervereins, der auch im zwölften Jahr nach seiner Gründung in Inneringen deutlich stärker verankert ist als in Hettingen, wurde nicht in Frage gestellt. Bürgermeisterin Dagmar Kuster hatte keine Bedenken, dass die Vereinsmitglieder ihr Engagement eventuell vom Schulstandort abhängig machen könnten. Da stellt sich die Frage, weshalb der Verein seit der faktischen Zusammenlegung der Schulen dann im Tal nicht mehr an Zuspruch gewonnen hat? Bürgermeister Uwe Bühler stellte im Rahmen der Mitgliederversammlung 2011 zutreffend fest, dass der im wesentlichen von Mitgliedern aus dem Stadtteil Inneringen getragene Verein es verdient hätte, auch aus den Reihen der Hettinger Bevölkerung stärker unterstützt zu werden.


Es wäre sicherlich falsch zu sagen, dass der Verein dort gar keine Unterstützung findet. Es gibt durchaus einige sehr engagierte Mitglieder aus Hettingen, welche der Arbeit des Vereins auch gut tun. Aber zu glauben, dass die Inneringer  Führungskräfte des Vereins ihr Engagement auch nach einer Entscheidung
pro Hettingen fortsetzen, die sich rein am harten Faktor Geld orientiert und alle übrigen Belange unkommentiert im Raum stehen lässt, ist sehr optimistisch. Und ob dann die wenigen Hettinger Mitglieder den Verein tragen können, erscheint zumindest schwierig.

Die Stadtverwaltung hätte vielleicht die Diskussion breiter anlegen und vor allem die harten Fakten etwas früher auf den Tisch legen sollen. Schwierige Entscheidungen finden dann eher Akzeptanz, wenn ihr Zustandekommen und die zugrunde gelegten Kriterien nachvollzogen werden können. Dies ist subjektiv betrachtet bisher nicht gelungen.

Und wenn es so ist, dass tatsächlich noch keine Entscheidung gefallen ist, dann sollte die Stadtverwaltung die Zeit bis zur Entscheidung nutzen, um die angesprochenen Punkte nachvollziehbar zu bewerten. Vielleicht sollte hierfür auch der Zeitplan noch einmal überdacht werden.


www.inneringen.de