Kaufhaus Werner schloss zum Jahresende
Lydia und Rolf Werner an der Ladentheke: Seit Beginn des neuen Jahres gehört dieser vertraute Anblick der Vergangenheit an.
Mit drei Kaufmanns-Generationen elf Jahrzehnte überdauert
Zum Jahresende schloss in Inneringen eine Institution: Mit dem Kaufhaus Werner, dessen Ursprünge bis weit in das 19. Jahrhundert zurückreichen und in dem auch die komplette Inneringer Postgeschichte abgewickelt wurde, verliert die Albgemeinde den letzten noch verbliebenen Vollversorger.
Ganze drei Generationen
reichten der Kaufmannsfamilie Werner aus, um von 1893, als Max Werner den Laden
übernahm, bis ins Jahr 2003, in dem dessen Enkel Rolf das Geschäft schließen
musste, über 110 Jahre ein Stück Ortsgeschichte mit zu schreiben.
Begründet wurde die Verkaufsstelle von Eduard Haug. Die Familie Haug stammte ursprünglich aus Königseggwald und Vater Leopold war ausweislich der Inneringer Ortschronik mit den Maurerarbeiten für den Neubau der Pfarrkirche St. Martin (Grundsteinlegung am 21. Oktober 1861) betraut worden. Es wird vermutet, dass aus den für den Kirchenbau nicht benötigten Steinen schließlich das Ladengebäude in der Römerstraße 1 errichtet wurde. Eduard Haug, der wohl eine Ausbildung als Kaufmann absolviert hatte, heiratete im Jahr 1884 Ida Kleck, die Tochter des Josef Kleck und der Juliane geborene Hospach.
Vermutlich im gleichen Jahr wurde das Ladengeschäft auch gegründet. Schon nach wenigen Jahren verstarb jedoch der Inhaber, und seine Witwe heiratete im Jahr 1893 den Riedlinger Max Werner, Sohn des dortigen Traubenwirts und Bürgermeisters.
Das Verkaufsangebot umfasste
im wesentlichen die klassischen Kolonialwaren sowie Stoffe. Lebensmittel wurden
damals nur im geringeren Umfang gehandelt, schließlich waren die Albbewohner
nahezu vollständige Selbstversorger. Lediglich Salz und Essig wurden schon
damals im größeren Umfang verkauft.
In dieser Zeit bereiste der
Kaufmann auch die Nachbarorte (Egelfingen, Emerfeld, Billafingen, Ittenhausen,
Feldhausen/Harthausen, Kettenacker, Wilsingen usw.) und verkaufte seine Waren
direkt vor Ort. Insofern war es nicht verwunderlich, dass die Familie Werner
zusammen mit dem Braumeister Maier das zweite Auto in Inneringen kaufte.
Max Werner führte den Laden vermutlich bis zum Jahr 1927. Sein Sohn Eduard
Werner heiratete in diesem Jahr Katharina, die Tochter des Karl Metzger und der
Karoline geborene Bantle.
Vor dem 2. Weltkrieg wurde das Geschäft u.a. vom Gammertinger Kaufhaus Krämer und mehreren anderen Handelsvertretern (z.B. Haug aus Biberach) beliefert. Kurz- und Spielwaren wurden aus Augsburg, von der Firma Grimm-Schmidt bezogen.
In den Kriegs- und
Besatzungsjahren wurden im Ladengeschäft Labensmittel gegen Lebensmittelkarten
ausgegeben, wobei diese Karten auch begehrtes Diebesgut waren. Zudem war im
Laden die Sammelstelle für die Hühnereier untergebracht, welche die örtlichen
Landwirte abliefern mussten.
Seit den 1950er Jahren wurde der Laden von der Edeka-Gruppe beliefert (Edeka ist
übrigens die Abkürzung für die 1898 gegründete „Einkaufsgenossenschaft der
Kolonialwarenhändler im Halleschen Torbezirk zu Berlin").
Rolf Werner übernahm schließlich im Jahr 1960 nach der Hochzeit mit Lydia, der Tochter von Lorenz Miller und Katharina geborene Blatter, das Ladengeschäft. Ende der 1960er Jahre wurde das Ladengeschäft umgebaut, die heute noch vorhandenen größeren Schaufenster wurden eingebaut und im Obergeschoss wurden ebenfalls Verkaufsflächen eingerichtet.
Generationen von Schülern
kauften dort ihre Schulsachen. Es gab nur sehr wenig, was man im Laden nicht
kaufen konnte, wenngleich die mit rund 90 m² recht beengten Verhältnisse mit
den großflächigen Verkaufsflächen der neu aufkommenden Supermärkte nicht
konkurrieren konnten.
Von Anbeginn der
Ladengeschichte war es üblich, dass die Kunden ihre Wahren beim Kaufmann
anschreiben ließen und einmal im Jahr die aufgelaufenen Beträge bezahlten. Das
entsprechende Registrierbuch ist auch heute noch vorhanden, es wird sogar bis
zum heutigen Tage noch verwendet. Allerdings ist das Buch jetzt voll, die
letzten Buchungen führt Lydia Werner in diesen Tagen auf der hinteren inneren
Einbanddecke durch.
„Auch deshalb ist es wohl an
der Zeit, dass wir aufhören“, schlussfolgert die 67jährige, und auch der ein
Jahr ältere Rolf Werner sieht keine Perspektive mehr für sein Geschäft. Die
Gefriertruhen müssten erneuert werden, zudem müsste auch in baulicher Hinsicht
einiges unternommen werden. Die Familie Werner hat deshalb schon vor einigen
Jahren mit der Konzernzentrale von Edeka gesprochen, von dort wurde jedoch
abgeraten: Zu klein sei der Standort Inneringen, zudem wurde dieser wohl ohnehin
nur aufgrund der jahrzehntelangen Geschäftsbeziehungen beibehalten. Nachdem
auch die Kinder der Eheleute Werner, drei Söhne und eine Tochter, allesamt
erwachsen und in anderen Branchen tätig sind, war zudem auch kein Nachfolger
vorhanden.
Lydia Werner freut sich auf
den wohlverdienten Ruhestand, Ehemann Rolf tut sich damit noch etwas schwer.
Angesichts der langen Familientradition ist dies sicher nachvollziehbar, den
Gang der Zeit kann er jedoch auch nicht aufhalten. Dennoch geht es den
Inneringern noch besser als vielen anderen Dörfern auf der Alb: Mit der Bäckerei
Müller und der Metzgerei Bögle, beide in den Händen junger Betriebsinhaber,
bleibt wenigstens die örtliche Grundversorgung gesichert.
Wohl von Beginn an,
spätestens aber ab 1888 befand sich im Ladengeschäft von Max Werner die
Inneringer Poststelle. Es wird vermutet, dass in den Anfangsjahren noch das
Regensburger Fürstenhaus Thurn und Taxis die Postgeschäfte abwickelte, obwohl
Reichskanzler Otto von Bismarck bereits 1876 Reichspost und Telegrafenverwaltung
zu einer obersten Reichsbehörde, der "Reichs-Post und
Telegraphenverwaltung“ zusammen gefasst hatte.
Um das Jahr 1940 wurde vom
Bauunternehmer Fridolin Kindler aus Hettingen der heute noch vorhandene Anbau für
die Poststelle hergestellt. In diesem Gebäude war während der französischen
Besatzungszeit ab 1945 auch die Ortskommandantur der Besatzungstruppen
untergebracht. Im ersten halben Jahr der Besatzungszeit blieb das Ladengeschäft
wie auch die Schule am Ort geschlossen, danach normalisierten sich die Verhältnisse
wieder.
Ihre „Blütezeit“ erlebte
die Poststelle vor allem durch den Bau des damals französischen Stützpunkts
(„AHI“), der nach dem Austritt der Franzosen aus der NATO noch bis ins Jahr
1983 von den US-Streitkräften genutzt wurde. Aufgrund der Privatisierung der
Deutschen Bundespost zur Deutschen Post AG ereilte auch die Inneringer
Poststelle das Schicksal aller vergleichbaren Niederlassungen: Sie wurde im Jahr
2000 geschlossen.