Über Pfarrer Josef Sprißler


Der einzige direkte Nachfahre von Pfarrer Joseph Sprißler ist Eberhard Müller, der am Montag zusammen mit seiner Frau Johanna die aktuelle Sonderausstellung „Romantik, Realismus und Revolution im 19 Jahrhundert“ im Heimatmuseum besuchte. Darin finden sich Dokumente seines streitbaren Vorfahrens. Die Ausstellung erläuterten Heimatforscher Günther Reich (zweiter von links) und Heimatkreis-Chef Roland Walter.

Ur-Urenkel besucht Ausstellung

Der progressive Pfarrer Josef Sprißler (1795-1879), der einst als Abgeordneter der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche saß. kann mit Fug und Recht als einer der bedeutendsten Söhne der Albgemeinde Inneringen angesehen werden. In Empfingen erinnert eine Ausstellung an den streitbaren Geistlichen.

Die Südwestpresse berichtet wie folgt:

Unlängst besuchten Eberhard Müller und seine Frau Johanna die Sonderausstellung zum Thema „Romantik, Realismus und Revolution im 19 Jahrhundert“ im Heimatmuseum. Einige Dokumente beleuchten darin auch den progressiven Pfarrer Joseph Sprißler (1795-1879). Eberhard Müller ist der einzige direkte Nachkomme des Geistlichen, der auch gewähltes Mitglied in der Frankfurter Nationalversammlung war. Müller ist Sprißlers Ur-Urenkel.

Eberhard Müller war nicht das erste Mal in Empfingen. Als das Buch „Für Freiheit, Licht und Recht“ des Journalisten und Historikers Helmut Engisch und des Historiker Hans Peter Müller im Jahre 1999 in der Schulaula vorgestellt wurde, hielt Müller ein Grußwort. Er berichtete, dass er auf der Bühne „Gruscht“ entsorgen wollte und dabei 1997 auf eine Sammlung seines Vaters mit Büchern, Zeitungsausschnitten und Fotografien gestoßen war. Das älteste Foto zeigte Joseph Sprißler, auf der Rückseite stand unter anderem „Katholischer Pfarrer“. Eberhard Müller: „Das machte uns stutzig und wir stellten uns die Frage: Was ist da geschehen, dass ein im Zölibat lebender, katholischer Priester für einen Sprössling – oder in diesem Fall für einen Sprißling – gesorgt hat und warum hat Joseph Sprißler seinem Sohn, also meinem Ur-Urgroßvater, den Namen Stürmer gegeben?“ Müller war sich damals schon sicher, „dass auch in dieser Sache von den Herren Engisch und Müller (…) eruiert“ worden war.

Sprißlers Geliebte hieß Barbara Dobler

Der Nachfahr des streitbaren Geistlichen hatte Recht. Hans Peter Müller und Helmut Engisch schreiben in dem Buch, dass Sprißler in seiner Zeit als Empfinger Pfarrer, die von 1834 bis 1849 dauerte, einen Sohn bekam. Am 27. November 1835 brachte Barbara Dobler in Bechtoldsweiler bei Hechingen einen Jungen zur Welt. Von Barbara Dobler, also der Ur-Urgroßmutter von Eberhard Müller, existiert kein Bild und nur wenig ist von ihr bekannt. Gestorben ist sie im März 1863 in Stetten bei Hechingen, wo auch Sprißler seinen Lebensabend verbracht hat. Nach seiner Amtsenthebung sei Sprißler „zwar selten in der Kirche, doch häufig im Wirtshaus gesehen worden – in Begleitung einer Frau“. „Mehr Lebenszeichen“, so die Historiker weiter, „wurden dieser Frau in den Hinterlassenschaften ihrer Zeit für die Nachwelt allerdings nicht gegönnt. Die kirchliche Unerbittlichkeit in der Frage der erzwungenen Ehelosigkeit der katholischen Geistlichen hat auch das Leben dieser Frau bestimmt, sie zu einem Schattenleben verdammt.“

Aufgezogen wurde das Kind im Pfarrhaus in Boll, wo Sprißlers Freund Pfarrer Josef Blumenstetter Geistlicher war. Dieses Geheimnis verriet Blumenstetter, der ab 1862 als Pfarrer in Trillfingen wirkte, Pfarrer Sprißlers Neffen, dem Lehrer Anton Fink. Sprißler habe für seinen Jungen nach seiner Absetzung nicht sorgen können. Mit aufgezogen hat den Jungen Blumenstetters Mutter. Das Gerede der Leute, der Junge stamme von Blumenstetter, habe weder sie noch ihren Sohn gestört.

Blumenstetter berichtete Fink auch, wie der Junge zu seinem Namen gekommen sei. Der Lehrer notierte, Pfarrer Sprißler selbst habe ihm den Namen gegeben, „weil er unter den Stürmen des Jahres 1848 auf die Welt gekommen sei“, schreiben Engisch und Müller. Die Historiker warnen jedoch davor, diese Aussage für bare Münze zu nehmen. Sie vermuten, dass die Mutter genötigt war, „eilends einen Mann zu suchen, der bereit war, dem Kind seinen unverdächtigen Namen zu geben, um den Empfinger Pfarrer damit vor der Gefahr eines weiteren öffentlichen Skandals zu schützen“.


Brüder waren sie im Leben und sind es auch nach dem Tod. Die Grabsteine der Pfarrer Joseph Sprißler und Josef Blumenstetter auf dem Friedhof von Hechingen-Stetten

Übrigens: Joseph Sprißler und sein Freund Josef Blumenstetter sind nebeneinander auf dem Friedhof in Hechingen-Stetten begraben worden. Ihre Grabsteine sind vom Stil her identisch.

Müller entdeckt Neues über seinen Vorfahr

Eberhard Müller, der mit den Jahren ein kleines Archiv über seinen Ur-Urgroßvater angelegt hat, fand die Ausstellung in Empfingen „überwältigend“. Er war schon lange auf der Suche nach der Rede, die sein Vorfahr nach seiner Suspendierung in Empfingen am 11. März 1849 gehalten hat. An diesem Tag strömten aus der gesamten Region 5000 Protestler nach Empfingen, versammelten sich vor dem Pfarrhaus, um gegen die Suspendierung zu demonstrieren. Der frühere Regierungssprecher und Autor Manfred Zach hat am 11. September im Rahmen der Eröffnung der Ausstellung im Heimatmuseum aus der Rede des Pfarrers zitiert und diese als „rhetorisch brillant“ bewertet. Sprißler habe darin „die politischen Verhältnisse auf erstaunliche Weise mit seiner christlichen Lebensform“ verquickt. Ein Satz Sprißlers lautet beispielsweise: „16 Jahre bin ich mit der Behauptung aufgetreten, dass die Kirche nicht in den obersten Kirchenbeamten bestehe, so wenig, als der Staat in den Ministern und Bürokraten.“ Günther Reich besitzt eine Kopie der Rede und er versprach, sie Müller zukommen zu lassen.

Beeindruckt war Eberhard Müller auch von den Bildern, welche die Suppenanstalt zeigen. Sprißler hatte in Empfingen für die hungrigen Dorfbewohner eine Suppenküche eingerichtet. Zu sehen ist in der Ausstellung auch eine öffentliche Bekanntmachung vom 13. März 1847, unterschrieben von Pfarrer Sprißler, Bürgermeister Baum und Apotheker Colb. Es werden täglich „weit über 300 Portionen (…) gute nahrhafte Suppe täglich“ ausgeteilt. Die Unterzeichner störten sich aber daran, dass „arbeitsscheue, landstreichende Bettler von Profession“ dies offenbar ausnutzten. Deshalb würden künftig „alle auswärtigen Bettler“ abgewiesen, auch um „den entsittlichenden Bettel und Müssigang auszurotten“.

Auch dieses Dokument ist neues Material für das Müllersche Archiv, ebenso wie eine Zeichnung des Sterbehauses von Sprißler in Stetten, die im Nachlass von Reinhard Reich gefunden worden war . Reich ist 1864 geboren worden und hat, so Günther Reich, Sprißler und den Empfinger Redakteur und Dichter Franz-Joseph Egenter gekannt, der auch Teil der Ausstellung ist.

Wäre Pfarrer Sprißler Professor geworden?

Am 01.10.2011 war ein Treffen der Familie Sprißler in Inneringen, ihrem Stammort. Nach dem Gottesdienst in der Pfarrkirche St. Martin ging es in den Gasthof „Adler“ zum gemütlichen Teil. Erwartet wurden laut Eberhard Müller an die 150 Personen.

Als sich Müller im Jahre 2005 dieser „Großfamilie“ vorstellte, betonte er, dass er auf seinen Ur-Urgroßvater Joseph Sprißler besonders stolz sei. Wie auch in Empfingen bei der Buchvorstellung berichtete Müller, dass er im väterlichen Nachlass auch ein Büchlein entdeckt hatte, das den Titel „Die Revolution von 1848/49 in den hohenzollerischen Fürstentümern und deren Anschluß an Preußen“ trug. Er wollte das Buch entsorgen, klappte es auf, um es zerreißen zu können und stieß zufällig auf eine mit Bleistift markierte Stelle. Die Sätze lauteten: „Pfarrer Sprißler wünschte Freiheit von Rom und vom Bischof und anstelle des autoritären hierarchischen Systems eine demokratische Kirchenverfassung. Weit bekannt wurde Sprißler durch sein öffentliches Auftreten gegen den Zölibat. Er erregte dadurch das Mißfallen vieler Geistlicher und besonders des Ordinariats in Freiburg. Die vorgesehene Berufung Sprißlers zum Professor der Kirchengeschichte nach Freiburg unterblieb anscheinend aus diesem Grunde.“

Der Stammbaum von Joseph Sprißler zu Eberhard Müller

1795 erblickte , wie Helmut Engisch und Hans Peter Müller in ihrem Buch berichten, Joseph Sprißler, der zweite Sohn des „Halbbauern und Pfründners“ Fridolin Sprißler und seiner Frau Johanna in Inneringen das Licht der Welt. Er hatte zwei ältere Geschwister, Georg und Monika. In Hechingen-Stetten starb Sprißler im Jahre 1879. Sprißler hatte zusammen mit Barbara Dobler (gestorben im März 1863) einen unehelichen Sohn, Theodor Christoph Stürmer, der 1835 in Bechtholdsweiler geboren wurde.


Auch dieses Bild des unehelichen Sohnes von Pfarrer Joseph Sprißler, dem Musikalienhändler Theodor Stürmer, findet sich im Buch „Für Freiheit, Licht und Recht

Stürmer führte später in Stuttgart eine große Musikalienhandlung und starb am 22. März 1894 in der heutigen Landeshauptstadt. Der Geschäftsmann heiratete 1866 Mathilde Müller, die zwei Jahre später Tochter Mathilde auf die Welt brachte. Diese wiederum ehelichte 1898 den Sattler Franz Xaver Müller aus Göttelfingen. Am 18. November 1900 kam deren Sohn Richard Müller auf die Welt und er zog mit der Familie nach Stuttgart-Sonnenberg. Richard heiratetet Rosina Weidenbacher, das Ehepaar hatte die Söhne Rolf (1927 bis 1996) und Eberhard, der 1933 geborene worden ist. Und die Linie geht weiter. Hannes (geb. 1960) und Ursula (1962) sind die Kinder von Eberhard und Johanna Müller. Hannes Müller wiederum hat drei Kinder und zwar Sophie (2002) und die Zwillinge Lena und Emily (2005).

 

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